''Chau Tran''
© CHAU TRAN (QING LIAN)    ''Qing Lian''
© CHAU TRAN (QING LIAN)

CHAU TRAN, geboren 1949 im Süden von Vietnam als Sohn südchinesischer Eltern aus der Provinz Kanton, China.
Chinesischer Name Chen Ying Yi 陳英義, Künstlername QING LIAN 青濂.

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© CHAU TRAN (QING LIAN)



Der Papierblumenbaum




Ein Blumenbaum dessen Blumen den chinesischen Namen "纸花 (zhi hua)" und den vietnamesischen Namen "Hoa Giấy / Papierblume" tragen. So einen Blumenbaum in rot hatte unsere Familie auch auf der Terrasse vor unserem Haus am Fluß am Rand der Stadt Saigon. Sie blühen das ganze Jahr in glühend roter Farbe.

Nachdem die Kommunisten Nordvietnams Südvietnam im Jahre 1975 überfallen hatten und Vietnam für vereint erklärte hatten, sympathisierte die neue Regierung mit der Sowjetunion und weigerte sich mit dem reformierten China zusammenzuarbeiten. Als Straf-Aktion für den undankbaren ehemaligen Kriegsverbündeten gegen die USA, war China über die Grenze der beiden Länder marschiert und hatte sich nach kurzer Zeit wieder zurückgezogen, um Vietnam zu warnen. ( In China gab es zu Zeiten des Vietnamkrieges eine Hungersnot, trotzdem hatten die Chinese den Gürtel engergezogen und das kommunistische Vietnam ununterbrochen mit Nahrung und Waffen unterstützt).
Wir als Chinesen lebten im ehemalig kapitalistischen Südvietnam. Obwohl alles Kapital vom neuen Regime beschlagnahmt wurde, Umerziehung und . . und . . und . . , wurden wir trotzdem als Spione für das kommunistische China verdächtigt. Viele, viele Chinesen in Südvietnam und auch in Nordvietnam wurden verhaftet und es wurde nie wieder etwas von ihnen gehört.

Unsere Familie lebte unter dieser Bedrohung und ständiger Angst. Meine zwei älteren und meine zwei jüngeren Brüder waren im Jahr 1978 aus Vietnam geflüchtet. Ich wollte nicht mit gehen, weil ich mir sehr um meine Eltern und die jüngeren Geschwister Sorgen machte, doch nun musste ich die schlimmste Entscheidung meines ganzen Lebens machen. Mein Vater sagte immer wieder: "Du musst gehen, man merkt, du überwacht wirst, erzähl deinen Geschwistern nichts davon." Natürlich durften meine Geschwister das vorher nicht wissen. Es war schlimm! Ich konnte sie nicht verlassen! . . . . . .

Zwei Tage später setzte ich auf dem Weg nach Haus mit einer Fähre über den Fluss. Als der Kahn in der Mitte des Flusses war, guckte der Ruderer der Fähre mal nach links, mal nach rechts und mir dann tief in die Augen. Er wiederholte das noch einmal. Ich fühlte, wie unter seinem alten und kaputten Hemd und der Hose das Blut durch seinen mageren, zitternden Körper floss. Nach 1975 sind alle dünner und magerer geworden, nur wer den Krieg gewinnt, hat mehr zum Leben. Der Ruderer der Fähre versuchte noch einmal mir tief in die Augen zu schauen, dieses Mal ging sein Blick tief in meine Seele, plötzlich schoss es mir wie ein Licht durch den Kopf. Ich verstand nun, was er mir stumm vermitteln mochte: "Wieso bist du noch hier . . . . Du musst schon lang weg sein." Ich schaute ihm intensiv ins Gesicht und sah Tränen aus seine Augen rollen. Am anderen Ufer, bevor ich ausstieg, versteckte ich Geld, welches ich noch in der Hosentasche hatte, heimlich unter einem Holzplatz. Mit seinem Gesicht gab er mir Zeichen, um sich zu bedanken und ich verließe den Kahn.

Den Ruderer der Fähre kannte ich schon Jahrzehnte seit meiner Jugendzeit, vor 1975 hatten wir bei der Fahrt immer mal was zu erzählen und zu lachen. Nach 1975 war er wie stumm und taub, niemand bekam mehr ein Wort aus seinem Mund.

Im Mai 1979 begab ich mich auf den Fluchtweg. Ich machte mir später die Gedanken, ob der Ruderer noch lebte oder welches schlimme Schicksal er erlitten hatte. Eins weiß ich ganz genau, nach 1975 hat er mir das Schweigen beigebracht, damit er Antworten auf Fragen von "manchen Leuten" über mich nicht geben konnte.

Unser Haus wurde später auch beschlagnahmt, aber lebt der Papierblumenbaum noch?

- im Jahr 2015 - Chau Tran (Qing Lian)



(Siehe auch Dokumentation/2000/Reise/Griechenland)



© CHAU TRAN (QING LIAN)

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